Sebastian /
Dezember 2008 Mein trauriges Märchen
Kapitel
1
Ich hatte mich verlaufen, irrte schon seit Wochen in
einer gigantischen Wüste umher. Es war heiß, sehr
heiß. Der Schweiß tropfte mir von der Stirn. Ich hatte
einen Sonnenbrand, er brannte fürchterlich und das
Stechen der brühendheißen Sonne ließ nicht nach. Kein
Schutz, kein Schatten.. Ich wusste nicht mehr wohin...
Überall wo ich hinschaute sah ich Sand. Milliarden
Tonnen feinen weißen Sand aufgetürmt zu malerisch
aussehenden Dünen. Alles sah gleich aus... ich irrte
schon die ganze Zeit im Kreis umher. Hatte Durst,
brauchte Wasser. Doch da war nichts. Ich fühlte mich
schwach. Ich befürchtete das ich jeden Moment
zusammenbrechen könnte und in der Wüste verenden werde
wie die Tiere die rings um mir lagen... so stark verwest,
dass man nicht mal mehr erkennen konnte, was die Kadaver
mal gewesen sein könnten. Geier schwirrten um mich
herum. Mindestens genauso hungrig wie ich. Sie starrten
mich an, beobachteten mich, in der Hoffnung ich würde
bald meinen letzten Atemzug machen. Doch dann sah ich
etwas unbeschreiblich Schönes... In meinem Körper
breitete sich wieder das Leben aus. Ich hatte nichts
anderes mehr im Kopf. Hunger, Durst und die Schmerzen
waren auf einmal zweitrangig geworden...
Ich eilte in die Richtung in der ich meine Hoffnung
gesehen hatte und lief. und lief... und lief. In der
Hoffnung es sei keine Fata Morgana.
Ich erinnerte mich auch nicht mehr an den Grund warum ich
überhaupt in der Einöde gelandet bin. Doch nachdem ich
tagelang auf der Suche gewesen bin, fiel es mir wieder
ein...
Einst habe ich einen Engel gesehen und schwor mir ihn zu
finden, was es auch koste. Ich wollte mein Herz mit ihm
teilen. In jener Wüste in der ich mich immer noch
befinde an einer Oase mit kristallklarem Wasser mit
wunderschönen schattenspendenden Palmen fand ich ihn
endlich. Ich war überwältigt von seinem Charakter. Ich
wollte nie wieder weg. Des Nachts bei Mondschein zeigte
sich der Engel erst in seiner wahren Schönheit, so
schön das man wie erstarrt da stand wenn man seine Augen
betrachtete. Ich wollte ihn nie wieder gehen lassen, ich
fühlte mich als der glücklichste Mann der Welt. Er war
wie ein Stück Farbe in einem Schwarz-weiß Film, wie das
wärmende Feuer in einem Kalten Wald. Einfach nur
unbeschreiblich.. Doch 3 Tage später ließ der Engel
mich fallen und schwang seine gigantischen pechschwarzen
Flügel auf und flog weg ohne den Anschein dass er je
wieder kommen wird. Er sagte mir nicht warum er mich
verließ. Ich war traurig. Nein traurig war ich nicht. Es
ist zu milde ausgedrückt. Ich weinte. Tagelang,
Wochenlang... Das Salz meiner Tränen vereinte sich mit
dem glasklaren Quellwasser und nach einigen Tagen war so
viel Salz in dem See, dass alles um den See herum
austrocknete. Die Palmen waren nach einigen Wochen nicht
mehr... nur noch Wracks ihrer vergangenen Schönheit. Sie
spendeten keinen Schatten mehr, die hübschen Blätter,
die sonst immer mit einem Hauch von Eleganz im Wind
tänzelten, sind nicht mehr. Das Wasser konnte ich nicht
mehr trinken. Ich musste weg... Denn ich merkte dass es
auch mich von innen austrocknete. Warum nur? Womit hatte
ich das verdient?
Als ich mich so daran zurückerinnerte, fragte ich mich:
War es jener Engel den ich vor Monaten schon gesehen
habe? Ich machte mir Gedanken was ich zu ihm sagen würde
falls er es war... falls es ihn noch gibt. Ich liebe ihn
immer noch. Viel zu stark. Vielleicht hat er mich noch
nicht vergessen?!?....
Kapitel 2
Die Tage verstrichen. Es verging kein Tag an dem ich
nicht an den Engel gedacht habe. Den Engel der mir so
viel Kraft gab allein in der Wüste zu überleben, der
aber auch Schuld daran war das ich überhaupt erst hier
gelandet bin. Oder hatte er keine Schuld? War es mein
Übereifer, der mich in die Wüste getrieben hatte, um
meinen Engel zu finden? War Hochmut daran Schuld, mich in
etwas zu verlieben, was unerreichbar für mich schien?
Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Was es heißt zu
fallen wusste ich jetzt. Die Geier kreisten noch immer
über mir, bloß viel verzweifelter als vorher.. War ich
der einzige Mensch in der gottverlassenen Wüste, gar das
einzige Lebewesen abgesehen von den Geiern? Ich wünschte
ich würde irgendetwas lebendiges sehen.. Ich wollte
einen Hauch Leben spüren.. War ich schon tot? War das
das Jenseits? Ich war mir nicht mehr sicher. Ich quälte
mich durch die Wüste, war vom Schmerz durchdrungen,
dennoch verlor ich keine Hoffnung meinen Engel zu finden,
denn ich bin der, der keine Hoffnung verliert.
Was würde ich in diesem Augenblick für einen Schluck
Wasser geben? Was würde ich dafür geben meinem Engel
wiederzusehen? Ich dachte noch immer darüber nach was
ich zu ihm sagen würde. Ich verzweifelte langsam.. Wo
war der Ausgang? Ich wollte einfach nur noch raus aus der
Wüste. Ich hatte die Tage nicht gezählt, die ich hier
schon alleine unterwegs war, dennoch wusste ich es waren
zu viele.
Die darauffolgende Nacht war kalt, wie jede Nacht,
dennoch überkam mir irgendwann das Gefühl von Wärme...
Was war es? Ich sah kein Feuer oder derartiges. Umso
weiter ich ging umso wärmer wurde mir und langsam
schlich sich ein Gefühl von Behaglichkeit ein... Ich
wusste es kann nur einen Grund dafür geben. Mein Engel
ist zurückgekehrt... Oder waren es nur
Wahnvorstellungen? War ich schon so verrückt geworden,
dass ich trotz Eiseskälte auf einmal spürte, wie es
ohne ersichtlichen Grund warm wird? Selbst wenn? Was
hatte ich zu verlieren? Ich ging weiter und weiter.
Und irgendwann saß er da, genauso einsam wie ich im
Sand. Ich konnte es nicht glauben... Was machte er an
einem so verlassenen Ort? Hatte er mich gesucht? Allein
schon der Gedanke ließ mein Herz höher schlagen. Ich
kam ihm näher und näher. Er bemerkte mich und schaute
mich an. Das Gesicht ausdruckslos. Keine Freude darüber
mich zu sehen. Ich wusste nicht mehr was ich denken
sollte... Ich sah ihm in die Augen. Eine Träne kullerte
lautlos im Mondschein, glitzernd wie ein Diamant, seine
Wange runter.
Ich versuchte ihn zu trösten, ganz gleich was war. Er
sagte mir, dass er viel Zeit damit verbracht hat, an mich
zu denken. Die Worte kamen nur schwerfällig aus ihm
heraus... Dass er von total vielen Personen enttäuscht
wurde... Und er das Gefühl hat, dass diese Person die
Freundschaft nicht wichtig nimmt. Auffällig war der
ständige Einzahl-Mehrzahl Wechsel. Obwohl ich total
erschöpft von den letzten Wochen war und unter Garantie
nicht klar denken konnte, fiel es mir auf... War es eine
bestimmte Person, von der der Engel immer wieder
enttäuscht wird? Und nicht mehrere? Ich hatte so meine
Vermutung - dennoch sagte ich nix. Ich fragte ihn ob er
glücklich ist...
Diese Antwort werde ich nie verstehen. Erst sagte er, er
wäre sich nicht sicher ob er glücklich ist, er wüsste
es nicht. Aber als ich ihn fragte, ob es sich gelohnt
hat, wegzufliegen und an einem anderen Ort glücklich zu
werden, antwortete er, dass er glücklich sei. War er
wirklich glücklich? Oder belügt er sich selbst? Diese
Antwort beschäftigt mich bis heute.
Er fragte mich, ob er besser hätte nicht wegfliegen
sollen. Was sollte ich darauf antworten? Ich liebe ihn.
Er wusste das. Warum fragte er mich das?
Ich antwortete ihm: 'Manchmal braucht man länger um zu
wissen was einem gut tut und was man haben will.. Ich
will nur dass du glücklich wirst, wenn du es nicht bist,
hast du irgendetwas falsch gemacht.'
Er starrte mich an... Seine Augen waren leer. Er wusste
nicht was er dazu sagen sollte.
'Ich will dir nicht schon wieder wehtun. Du hast das
Beste vom Besten verdient', stammelte er dann unter
erneutem Tränenfluss..
Was war denn das Beste für mich? Ich wusste es. Ich
wollte meinen Engel, Ich liebe ihn. Ganz gleich was war.
Aber warum erzählte er mir das so schwerfällig? Hatte
er Angst davor, dass ich ihn lynchen würde, weil er
damals einfach weggeflogen ist? Hatte er Angst, dass ich
mich verarscht fühlen würde wenn er mir sagt, dass er
doch ganz gerne bei mir ist anstatt woanders? Hatte er
Angst davor einen Fehler gemacht zu haben? Fehler sind
menschlich. Sie sind dafür da gemacht zu werden, damit
man aus ihnen lernen kann. Aber mein Engel war kein
Mensch. Oder war er es? Gefangen in dem Körper eines
Engels? Ich bin mir nicht mal sicher, ob es überhaupt
ein Fehler war, dass er mich fallen lassen hat. Denn das
konnte nur mein Engel selbst beantworten.
Egal was er dachte. Egal warum er sich so viele Gedanken
machte. Ich liebe ihn... Er weiß das. Ich würde alles
dafür geben, dass er bei mir bleibt. Denn er erfüllt
mein Herz mit so viel Behaglichkeit, Wärme und
Geborgenheit.
Der Engel starrte mich nur weiter ausdruckslos an. Wusste
er was ich dachte? Hatte er die Gabe Gedanken zu lesen?
Ich wusste dass er es konnte. Ich setzte mich zu ihm,
legte meinen Arm um ihn und versuchte ihn zu beruhigen.
Kapitel 3
Ich kam nur sehr schwerfällig vorwärts. Meine Kräfte
gingen zu Ende. Die Sonne brannte, mehr als je zuvor, so
hatte ich das Gefühl. Mühsam setzte ich ein Bein vors
andere. Die Geier, die mich noch immer beobachteten,
schienen zu spüren dass mein Lebensgeist erlosch, denn
sie schauten mich mit einem selbstgefälligen Grinsen an
und warteten. Bildete ich mir das nur ein? War es Geiern
möglich den nahenden Tod zu spüren? Ich schleppte mich
mühsam weiter. So wollte ich nicht sterben. Nur dieser
Gedanke hielt mich noch am Leben. Ich sackte zusammen. Es
ging nicht mehr. Eine Träne kullerte über meine Wange
und vermischte sich mit dem feinen glühendheißen Sand
auf dem ich lag. Es war meine letzte, wie sich später
herausstellte. Unfähig auch nur den Kopf zu bewegen, sah
ich wie die Geier nach und nach vor mir landeten und mich
anstarrten. Grausame Schmerzen durchdrangen meinen
Körper. Die Geier hackten auf mich ein und zogen mir
Stück für Stück das Fleisch aus den klaffenden Wunden
die sie geschaffen hatten. Wenn ich könnte, würde ich
vor Schmerz schreien. Warum ich? Womit hatte ich das
verdient? ... Ich spürte wie mein Lebenslicht erlosch.
Unter unvorstellbarem Schmerz schritt ich dem Licht
entgegen.
Nun bin ich tot. Ich hätte mir gewünscht mein Tod wäre
weniger qualvoll gewesen. Würde ich beerdigt werden? Was
würde auf meinem Grabstein stehen? Verloren in der
Wüste der Liebe? Oder vielleicht: Starb als Ungeliebtes
Aas für die Geier? Keine schöne Vorstellung. Nun wusste
ich was die vielen Kadaver in der Wüste für Tiere
waren. Es waren keine Tiere. sondern Menschen, ungeliebt
verendet wie ich es bin. Meine letzte Träne galt nicht
dem bevorstehenden Tod, sondern der Erkenntnis, dass mein
Engel mich auf ewig verlassen hatte. Er würde nicht
zurückkommen und mich retten. Ich liebte ihn. Wie konnte
er nur so grausam sein? Ich schenkte ihm meine Liebe und
er wies sie ab, weil er dachte er hätte schon genug
davon.
Was war passiert? Wir saßen dem Sonnenaufgang
entgegen... Sein Kopf lehnte an meiner Schulter. Wir
sprachen über diverse Dinge. Über sein Leben wie er es
gelebt hat. Tränen tropften von seinen Wangen. Nach
einiger Zeit gelang es mir ihn zu beruhigen... Meine Hand
streichelte über seinen Rücken. Mit dem Ergebnis dass
er schließlich zu mir sagte, dass ich ihm die Augen
geöffnet hätte. Was er damit meinte wusste ich nicht.
Seine dankenden Augen sahen mich an und ich sah nur noch,
wie er seine Flügel aufschlug und sich majestätisch
erhob, um mich schließlich endgültig zu verlassen. Was
musste ich für ein schlechter Mensch sein, dass er mich
nicht mal aus dieser Wüste befreit, dachte ich mir,
stets mit der Hoffnung er würde zurückkommen. Würde
mich jemand vermissen, wenn ich in die ewigen Jagdgründe
gehen würde? Ich glaubte nicht dass es so war. Ich
fühlte mich so einsam und verlassen wie noch nie.
Nun bin ich tot. Das war der Preis für meine
unsterbliche Liebe die ich aufgeboten habe. Vielleicht
ist es auch besser so, denn nun konnte mich niemand mehr
verletzen, ich hatte keine Schmerzen mehr. Ich konnte
endlich meinen Seelenfrieden finden. Grotesk dabei war,
dass meine Liebe zu ihm, selbst nach meinem Tod und dem
was er mir angetan hatte, sich nicht verkleinerte. Ich
hoffte dass er meine Seele in den Weiten des Universums
irgendwann finden wird und mich besuchen kommt. Die
Hoffnung stirbt zuletzt. Ich wusste, vergessen hat er
mich noch nicht.
Denn ich bin der, der keine Hoffnung verliert..
Ende
Zusatz:
Erlebt und als Metapher niedergeschrieben
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